Kaum war sie das erste Mal bei uns, die Frühförderin, da stellte ich mir gleich die Frage, ob es keine Alternative gäbe. Ich mochte sie nicht. Es war nicht nur ihr Geruch, säuerlich, überdeckt von einem süßen Parfüm. Doch das Saure stach hindurch, zu einem modrigen Mix wie ein feuchter Keller, in dem eine Ladung Milch vergessen wurde. Vielleicht klingt das hart, aber kurz nachdem sie weg war, riss ich alle Fenster auf, deckte Fritz zu und lüftete eine knappe halbe Stunde.
Doch ich roch sie danach immer noch, überall, als hätte sich der Geruch tief in die Wände gezogen, statt nach draußen. Ich war froh, dass sie nur einmal pro Woche kam, denn meine Nase konnte sie nicht vergessen. Fritz war es wohl egal, er hatte seinen Feuchtfilter über der Kanüle. Aber wenn es nur der Geruch gewesen wäre, nur das.
Vielleicht hätte ich es mit der Zeit ignorieren können. Ich hätte mir für die Stunde den Pflegedienst bestellt und wäre ins Schlafzimmer oder in den Supermarkt geflüchtet, mit der Anweisung an die Schwester, gut zu lüften, wenn die Dame weg ist. Wenn es schon nicht mit dem Kindergarten klappt, dann sollte die Förderung nach Hause kommen, meinte eine Therapeutin von Fritz. Kein Problem, dachte ich. Doch als ich den Geruch wegzudrängen versuchte und die Frau ansah, musste ich sofort meine Abscheu verstecken. Sie war nicht nur geschminkt, ihr Gesicht war mit einer dicken Schicht Paste bedeckt, fester und dicker als bei meiner Mutter. Dabei dachte ich immer, meine Mutter sei die Person, von der die Kosmetikindustrie lebt. Nein, im Vergleich haftete auf meiner Mutter nur ein leichter, fast durchsichtiger Anstrich. Aber bei dieser Frau war das Make-up der glättende Kitt, als wären die Unebenheiten in ihrer Haut tiefe Furchen, gezogen von der Klaue einer Wildkatze.
Ich solle ja nicht nach dem Äußeren urteilen, meint Hilde, als ich ihr von der Frau erzählte. Ich solle nicht, aber ich wusste schon, es würde nichts mit der Förderung, nicht mit dieser Frau. Damit ich ihr Gesicht nicht anschauen musste, senkte ich meinen Blick auf ihre Hände. Die Fingernägel waren zu lang und hatten eine schwarze Einfärbung von unten. Und diese Hände sollten an mein Kind ran? Sie kam mit einem verzogenen Lächeln und einem leisen “Hallo, ich bin …” und kämpfte sich mit Worten zu Fritz durch, ohne zu fragen, wo das Bad oder das Desinfektionsmittel für die Hände war.
Genauso wie einmal eine Schwester, die dann sofort wieder gehen durfte. Sie kam hereingestürmt mit einem verkürzten “Guten Tag, Fritz”, hustete und griff zum Absauger, ohne Handschuhe, ohne Desinfektion. Wer weiß, wo sie vor ihrem Dienst war und ob sie nicht vorher auf einer Toilette ihren Tampon gewechselt hatte, ohne ihre Hände danach zumindest mit Wasser zu konfrontieren. Klar, die öffentlichen Toiletten, da steht man vor dem Waschbecken und versucht abzuschätzen, was besser ist: den versifften Wasserhahn anzufassen oder die eigenen Keime erstmal bei sich an den Händen zu lassen.
Doch auch als sie das zweite Mal kam, wurde es nichts mit uns. Der Geruch blieb und ich hatte ein ungutes Gefühl, sie überhaupt in die Nähe von Fritz zu lassen. Ich redete mit einer Physiotherapeutin von Fritz darüber, doch die zuckte nur mit den Schultern und meinte: “Über manche Dinge muss man halt mal hinwegsehen.” “Nee,” entgegnete ich, “nicht über dreckige Fingernägel.” Doch da zuckte sie wieder mit den Schultern. “Sie müssen ja wissen, was sie tun.” Ich wusste es. Ich rief bei der Frühförderstelle an und fragte, ob es eine Art Ersatz gäbe. “Gibt es nicht”, war die Antwort: “Jeder hat dort sein Gebiet, da könne man nicht einfach die Leute tauschen.” “Nun, da hatten sie halt einen Kunden weniger”, meinte ich darauf. “Mmh,” machte es nur am anderen Ende der Leitung: “Wenn Sie meinen, dann ist das halt so.”