Nachdenklicher Mann in einem Café.

Wie die Depression weiter gräbt

Druck, Druck und wieder Druck. Ratschläge, was hil­ft: fünf Tipps, Tools, die gegen eine Depres­sion helfen. Ich kann kaum atmen, drücke das Play auf Pause. Pause auf Youtube, auf Insta­gram.

Licht ab 2500 Lux direkt vors Face oder ein Spazier­gang mor­gens, dann ein­fach expres­sives Schreiben, die Gedanken umdenken, gedankliche Muster brechen und wieder tief dur­chat­men. Sozial aktiv sein, einen geregel­ten Tages­rhyth­mus.

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Frau sitzt nachdenklich am Fenster.

Charlott — Freitag, der 14. März

Der Psy­chodoc hat heute wieder das ver­traute Muster durchge­zo­gen: Er hat mir das Wort „Gefühl“ in die Hände gedrückt, als würde er damit einen Schlüs­sel zu ein­er Tür anbi­eten, die ich seit Monat­en ver­schlossen halte. Er kreiste um das The­ma Fritz – den kleinen, tra­cheotomierten Geist, der still in der Klinik liegt, dessen Atemzüge wie das Tick­en ein­er Uhr sind, die nie aufhört zu mah­nen.

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Charlott sitzt auf Treppenstufen.

Charlott, Donnerstag — 13. März


Der Regen pras­selt auf das vergilbte Dachfen­ster am Neben­haus, schlägt an mein Fen­ster wie das ständi­ge Piepen des Beat­mungs­geräts von Fritz. Ich sehe die Tropfen wie kleine, kalte Mess­er auf das Holz des Fen­ster­rah­mens – sie schnei­den in die Stille, die ich mir seit Wochen zusam­menge­bis­sen habe. In mir dreht sich das Rad mein­er Gedanken: Schuld, Wut, Verzwei­flung. Ich greife nach der Schreib­mas­chine Eri­ka, das kalte Met­all an meinen Fin­gern, und weiß: Wenn ich hier tippe, gibt es kein Zurück mehr.

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Einsamkeit in einem dunklen Raum.

Charlott, Mittwoch — 12. März

// aus dem Notizbuch von Charlott

Fritz ist heute im Roll­stuhl von der Klinik zurück­gekehrt, der Atemgeruch von Chemie und Medika­menten liegt noch in der Luft. Sein klein­er Kopf liegt in der Nähe mein­er Stirn, und ich spüre, wie die Kälte der Pflege­in­fra­struk­tur sog­ar in mein Herz ein­dringt. Ein leis­er Atemzug des Beat­mungs­gerätes hebt seinen Brustko­rb und erin­nert mich daran, wie leicht alles zer­fall­en kön­nte.

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Junge Frau sitzt auf dem Boden.

Charlott, Mittwoch — 10. Juni

Zu Hause. Ich saß auf dem Boden, den Rück­en gegen die Spüle gelehnt, und zählte die Kacheln zwis­chen meinen Füßen. Sieben. Immer sieben. Als ob das eine Antwort wäre. Als ob Zahlen mich ret­ten kön­nten. Die Kaf­fee­tasse neben mir ist kalt, der Kaf­fee darin schwarz wie die Nacht, in der ich nicht schlafen kon­nte. Wieder nicht. Ich sollte aufräu­men. Ich sollte Fritz’ Medika­mente sortieren. Ich sollte Wern­er anrufen und vorgeben, als wäre ich nicht nur ein Hohlraum, der seine Stimme ver­schluckt. Aber stattdessen star­rte ich auf das Handy in mein­er Hand. Eine Nachricht. Von ihr.

„Char­lott, ich brauche dich. Heute. Bitte.“

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Frau sitzt traurig auf Treppe.

Charlott, Dienstag — 9. Juni

Ich liege wach, die Decke riecht noch nach Desin­fek­tion und abge­s­tanden­em Tee. Durch die Lamelle fällt ein schar­fes Band Neon­licht, das den Staub in der Luft wie kleine Knochen glitzern lässt. Mein Herz macht kleine, panis­che Geräusche, als hätte es sel­ber einen mech­a­nis­chen Schrittmach­er nötig. Die Frage fällt in mich wie kaltes Wass­er: Hätte ich von mir aus die Ehe erfun­den? Die Worte schmeck­en met­allisch, als hätte ich sie an einem Instru­ment abgeschlif­f­en.

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Dunkle Treppe mit nachdenklicher Person.

Charlott – Montag, der 8. Juni

Ich liege wach, die Neon­röhre im Flur wirft ein kaltes Band durchs Fen­ster, und mein Herz macht Geräusche wie ein alter Beat­mungsap­pa­rat, unregelmäßig, nervös. Gedanken zer­ren an mir, wie Pfleger, die zu früh in den Raum kom­men: unge­beten, rou­tiniert. Welche Prob­leme löst die Ehe?

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Traurige, erschöpfte Person in einem Raum.

Charlott — Sonntag, der 7. Juni

Der Mor­gen bricht durch die ble­ichen Vorhänge, ohne dass die Sonne ihr Licht wirk­lich durch­drin­gen lässt. Ich liege noch einen Moment still im Bett, lausche dem dumpfen Rauschen der Lüf­tungsan­lage im Bad und spüre, wie die Müdigkeit meine Glieder fest umk­lam­mert. Der Kör­p­er weigert sich, aufzuste­hen; jede Bewe­gung kostet ein kleines Stück Kraft, das ich kaum noch habe.

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Traurige, erschöpfte Person in einem Raum.

Charlott — Samstag, der 6. Juni

Die Tür zur Reha‑Station schließt sich hin­ter mir mit einem dumpfen Geklack. Es bricht mich in die Gedanken an Fritz: Ein Schlag‑Herz‑Monitor gibt den Takt für Fritz’ Mono‑Atmung an – ein Met­al­lk­lang, der mir das Bild von ein­er kleinen, leblosen Mas­chine in den Kopf drückt. In diesem Moment bre­it­et sich Angst wie kaltes Wass­er über meine Brust aus.

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Verlassener Raum mit melancholischer Stimmung.

Die Depression, die Wand und Antrieb

Der Antrieb, seine Abwe­sen­heit, ist der Tage der Stören­fried, der meinen Tages­mut frisst, meine Angst auflack­ern lässt. Ärg­er und Wut ver­puffen gegen ihn, als würde ich, mein Zauber­er, eine Druck­welle gegen eine Wand jagen. Die Wand ste­ht. Die Tür, die der Zauber­er in der Wand gesucht hat. Sie gibt es nicht.

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