Wenn es still wird um die Leidenschaft, dann gewinnt die Depression. Hast du Leidenschaft? Dies brauchst du, um zu wissen, wann der dunkle Drache Depri dich in seine Erschöpfung einlullt und dir jeden Antrieb raubt.
Mir selbst wurde gesagt, ich bräuchte mehr Leidenschaft. Sei es in der Liebe, sei es im Leben. Es sei ein „Element“, das in meinem Leben fehle. Ich bräuchte mehr Leidenschaft, hieß es: Sie lebt trotzdem in mir, dieses Ding, das Leiden schafft. Sie ist nicht tot.
Leidenschaft: Ein Konstrukt gegen Depression
Es mag sein, zumindest wurde damals nicht hinterfragt, ob es der dunkle Drache Depri ist, der mir die Energie, die Motivation und das wohlige Gefühl „Leidenschaft“ raubte. Dass es dieser Drache war, der in meine Jugend einbrach, sah ich erst später, als ich seine Anwesenheit erneut erfuhr.
Dieses Ding, sich für etwas zu begeistern, dafür auch Leid, Schmerz und Entbehrung zu ertragen, blieb mir fremd.
Leidenschaft braucht Leben, es braucht Lebendigkeit. Wenn der dunkle Drache kommt, dann verglüht er deine Lebendigkeit, bricht deine Gefühle zur Leere. Nur Traurigkeit ohne Tränen bleibt.
Das Verliebtsein bricht die Trauer zum Leben
Ja, die Leidenschaft lässt sich wecken, zumindest in der Liebe, im Verliebtsein. Dieser Zauber legte sich breit über mein Dasein, wie eine wohlige Decke, die mir im Schlaf die schönsten Träume wachsen ließ. Ich erlebte Freude, fühlte mich begeistert, wenn meine Blicke erwidert wurden, die Zeit miteinander verstrich wie Sekunden.
Doch ich schwamm in der Traurigkeit, wenn meine Blicke vereinsamten, ohne Antwort blieben. Wenn ich nur träumen durfte von der Wärme, dem Geruch des anderen und der Zeit zusammen.
Die Liebe lebte in mir, sie brach meine Dysphorie, eine leere Langeweile, die mir sagte, du bist dir selbst fremd. Die Liebe verklärte diese Fremde zum Vertrauen in sich und andere.
Die Depression: Ein Leid, das einen schafft
Wenn der dunkle Drache mich mitnahm, mich in seinem Tal absetzte, war es in mir leer. Die Gefühle waren weg, die Konzentration gebrochen. Der Tank des Antriebs: leer.
Die Berge, die das Tal in die Schwärze legten, waren das Leid, das es zu bewältigen galt. Doch ohne Antrieb, ohne ein Gefühl neben Leere, ohne Orientierung: Keiner der Wege aus dem Tal ließ sich finden.
An manchen Tagen brach ein Sonnenstrahl ins Tal. Er füllte die Leere mit Erregung, mit Verliebtsein.
An diesen Tagen könnte ich aus der Dunkelheit über die Berge springen, über die Emotionen, Lebensorientierungen und Geschichten, die es galt, in mein Leben zu integrieren. Diese Integration wäre der sichere Weg, dieses Tal für lange Zeit zu verlassen, in eine wohlige, vertraute Lebendigkeit, vielleicht das restliche Leben lang.
Wozu diese anstrengenden, lange Reise angehen, wenn es doch ein Wohlsein gibt, das dieses dunkle Leid einfach überblendet?
Doch schnell, wie das Verliebtsein verfliegt, verlor sich dieses Licht mit seiner Wärme wieder und die Trauer blieb. Die Liebe ging in die Leere zurück.
Mir fehlte der Antrieb, aus dem Verliebtsein eine Beziehung zu bauen. Mir fehlte die Konzentration auf den anderen, ihm zuzuhören, um ein Gemeinsam zu formen.
Mir fehlte die Kraft, die sich schnell hinter der Angst versteckte, mit dem anderen zu streiten, um das Gemeinsam zu formen.
Kaum war das Licht weg, brach die Leere wieder ein, brach die Nähe zum anderen. Sie brach die Leidenschaft für den anderen in ein Leid und Schaffen, entfernte das Wohlsein daran.
Mit der Traurigkeit darüber, mit dem Abschied von dem anderen, verlor ich mich im Dunkeln. Diese Trauer zeigte mir die einzige gebliebene Lebendigkeit.